Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs

Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs

In Zusammenarbeit mit Kinderkrebs Schweiz

Kinderkrebs Schweiz hat mit Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs eine Kampagne ins Leben gerufen, um auf die Situation von Kinderkrebsüberlebenden aufmerksam zu machen. Jedes Jahr erhalten rund 350 Kinder und Jugendliche in der Schweiz die Diagnose Krebs. Glücklicherweise sind die Überlebenschancen heutzutage hoch, aber viele dieser sogenannten “Survivors” kämpfen mit langfristigen Spätfolgen. Diese Spätfolgen können nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihre beruflichen Perspektiven beeinträchtigen.

Der Wunsch nach Normalität

Der Wunsch, nach der überstandenen Krankheit in die Normalität zurückzukehren, eine passende Ausbildung und Arbeitsstelle zu finden, ist gross. Leider gelingt die Integration nicht immer reibungslos, da gezielte Unterstützungsmassnahmen fehlen, um sicherzustellen, dass Kinderkrebsüberlebende einen gleichberechtigten Platz in unserer Gesellschaft finden.

Spätfolgen von Kinderkrebs

Die Spätfolgen von Kinderkrebs sind vielfältig und können fast alle Organsysteme betreffen. Neben den physischen Auswirkungen können auch psychische Probleme auftreten. Viele Betroffene leiden unter chronischer Erschöpfung und haben Schwierigkeiten, im beruflichen Alltag voll belastbar zu sein. Studien zeigen, dass Survivors ein erhöhtes Risiko haben, arbeitslos zu werden. Besonders Kinder und Jugendliche mit einem Hirntumor sind gefährdet. Deswegen ist es nicht nur wichtig die Krankheit erfolgreich zu behandeln, sondern auch die Spätfolgen so gering wie möglich zu halten.

Im einem Interview zum Thema Krebsüberlebende – Cancer Survivors brauchen unser Verständnis erzählte mir die Cancer Survivor Nicole mehr über ihre täglichen Herausforderungen.

MOMof4.ch

Wie sind denn die Zukunftsperspektiven von Survivors?

Die Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs sind nicht immer einfach. Die Ausbildung und der Berufseinstieg stellen für junge Menschen wichtige Meilensteine dar, um am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben. Doch für Kinderkrebsüberlebende können diese Schritte aufgrund der Auswirkungen der Krankheit besonders schwer sein! Je nach Schweregrad der Beeinträchtigungen sind Survivors mit unterschiedlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Manche finden keine passende Ausbildung, andere müssen ihre berufliche Laufbahn aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen anpassen. Häufige Gründe hierfür sind chronische Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten und psychosoziale Probleme. Es kann schwierig sein, lang gehegte berufliche Träume aufzugeben und neue Perspektiven zu finden. Ein Einbruch in der beruflichen Karriere kann auch erst viele Jahre später eintreten und zur Arbeitsunfähigkeit führen.

Was tun für bessere Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs?

Ich hatte die aussergewöhnliche Gelegenheit, ein Interview mit einer faszinierenden Frau und Expertin zu den Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs zu führen: Andrea Kurzo ist eine Fachpsychologin am Inselspital Bern, die sich auf die Betreuung von krebskranken Kindern und Jugendlichen spezialisiert hat. Sie begleitet nicht nur Betroffene und ihre Eltern während und nach der Erkrankung, sondern gibt auch wertvolle Einblicke in die – der Bevölkerung meist unbekannten – Schwierigkeiten und Perspektiven, mit denen Kinderkrebsüberlebende konfrontiert sind.

Im Interview mit einer Fachpsychologin

Im Interview mit Andrea Kurzo erfahren wir mehr über die Herausforderungen, mit denen Kinderkrebsüberlebende konfrontiert sind, sowie über Möglichkeiten und Unterstützung, um ihnen eine erfolgreiche berufliche Integration zu ermöglichen. Lasst uns gemeinsam einen Blick auf die Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs werfen und erfahren, wie wir als Gesellschaft dazu beitragen können, dass Survivors ihren Platz in der Arbeitswelt finden und ihr volles Potenzial entfalten können.

Andrea Kurzo ist täglich mit Kinderkrebsbetroffenen in Kontakt und teilt mit uns wertvolle Einblicke in dieses wichtige Thema:

Fachexpertin Andrea Kurzo

Die Expertin Andrea Kurzo zu Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs

«Während einer Krebstherapie sind Kinder teilweise nicht fähig zur Schule zu gehen, aber die Therapie zieht sich ja oft über Monate und Jahre. Wie ist da die gängige Praxis, dass Kinder den Anschluss nicht komplett verlieren in der Schule während der Therapie? »

Im Spital gibt es eine Patientenschule. Sind die Kinder stationär in der Kinderklinik hospitalisiert, werden sie von den Lehrerinnen der Patientenschule unterrichtet. Diese nimmt Kontakt auf mit den Lehrpersonen der Heimschule, damit die Kinder an ihrem gewohnten Schulstoff und an den Lernzielen arbeiten können. Wenn die Kinder fit genug und zu Hause sind, dürfen sie in die Schule gehen. Die Therapie verläuft meist in Zyklen, so dass es immer wieder Chemotherapie-freie Tage gibt.

Weil die Kinder nach einer intensiven Chemotherapie und oder Radiotherapie sehr häufig kognitive Spätfolgen und Beeinträchtigungen haben, werden sie in der Schule mit niederschwelligen oder verstärkten Massnahmen unterstützt. Es gibt die Möglichkeit der Anpassung der Lernziele, heilpädagogische Unterstützung und Nachteilsausgleich. Häufig besuchen die Kinder auch nach der Therapie die Schule noch in einem reduzierten Pensum. Eine Repetition empfehlen wir eigentlich nicht, da diese für die betroffenen Kinder sehr belastend ist, weil sie Angst haben den sozialen Anschluss zu verpassen.

« Viele Menschen denken, wenn sie Krebskrankheit besiegt ist, dann sind alle Probleme weg. Doch von was sind vor allem ehemalige Hirntumor-Patienten:innen betroffen im Zusammenhang mit ihren schulischen und beruflichen Zukunftsperspektiven nach Kinderkrebs? »

Kinder und Jugendliche, die eine intensive Therapie hatten, beispielsweise Chemotherapie im Hirnwasser oder Radiotherapie, sowie Hochdosistherapien, können unter sehr beeinträchtigenden Spätfolgen leiden. Diese äussern sich in starker kognitiver Ermüdung, Konzentrationsproblemen, Fatigue oder einer Verlangsamung in der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Einige haben auch Schwierigkeiten in der Handlungsplanung. Die kognitiven Schwierigkeiten führen häufig zu Frustration und im längeren Sinne auch zu einer psychischen Belastung. Für Patient:innen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist die schulische und berufliche Perspektive sehr anspruchsvoll. Sie brauchen Unterstützung in der Schule und im Erledigen von Aufgaben. In der Regel macht man bei der IV eine Anmeldung für die berufliche Eingliederung. Eine Ausbildung zu machen, ist für sie erschwert, und sie benötigen mehr Zeit um die Ausbildung zu schaffen, oder müssen längere Ausbildungswege in Kauf nehmen. Dies führt zu viel Unsicherheit und Angst in Bezug auf ihre Unabhängigkeit.

« Du arbeitest im Spital mit Krebspatient:innen, sowie ehemaligen Krebsbetroffen. Wie sieht deine tägliche Arbeit aus und inwiefern kannst du deine Klient:innen unterstützen? »

Ich betreue Familien mit krebskranken Kindern von der Diagnose an. Ich bin ein Bestandteil des interdisziplinären Teams zusammen mit den Teams der Pflegefachkräften, Ärzt:innen, Sozialarbeiter:innen, Patientenschule, Musiktherapie usw. Wir arbeiten als Psychoonkologinnen nach dem Liasonkonzept. Das heisst, wir sind aufsuchend und gehen aktiv bei den Patient:innen vorbei und sprechen wichtige psychosoziale Themen an.

Wir betreuen die Familien, wenn das Kind stationär im Kinderspital ist, aber auch wenn das Kind ambulant für Therapien da ist und in der Nachsorge. Wir begleiten und beraten die gesamte Familie bei der Aufklärung bezüglich der Erkrankung. Unterstützen sie bei emotionalen Reaktionen wie Ängsten, Wut oder Trauer. Wir unterstützen die Patient:innen und Familien bei Complianceschwierigkeiten oder bei Schwierigkeiten mit medizinischen Interventionen. Auch Gespräche mit Geschwisterkinder sind sehr wichtig. Wir arbeiten eng im multdisziplinären Team mit den Neuropsycholog:innen, Patientenschule und Sozialarbeit, sowie der Musiktherapie, so dass eine ganzheitliche Unterstützung während der Behandlung möglich ist, und wir auf Probleme möglichst rasch reagieren können. Wir versuchen zusätzliche psychosoziale Belastungen zu minimieren, dort wo es möglich ist.

« Es gibt Studien, die sagen, dass ehemalige Krebspatient:innen sehr gefährdet sind später arbeitslos zu sein. Wie hast du das bis anhin mitbekommen? »

Da ich nicht mit Erwachsenen arbeite, habe ich weniger Berührungspunkte. Ich weiss aber von den AYA Studien, dass dies ein Problem ist. Ich denke es wird zunehmend ein gesellschaftliches Problem werden von chronisch kranken Menschen, die es schwer haben im Arbeitsmarkt die erwarteten Leistungen zu erbringen. Ich denke es braucht hier ein gesellschaftliches Umdenken. Die Medizin ist sehr fortgeschritten. Bsp. überleben viel mehr Patient:innen ihre Krebserkrankung. Dies führt logischerweise auch dazu, dass es viel mehr Survivors gibt, und diese unter Spätfolgen leiden.

« Ich habe selbst Kinder und weiss, wie schwer es teilweise sein kann einer/m Jugendlichen den Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Bei all diesen möglichen Beeinträchtigungen durch Spätfolgen, kann es bestimmt zur Mammutaufgabe werden. Wie ist denn der Schweizer Arbeitsmarkt auf die Bedürfnisse von Survivors eingestellt? Was müsste sich ändern? »

Ich denke es braucht ein schweizweites Konzept für Survivors mit Spätfolgen. Sie müssen in den Nachsorgesprechstunden Zugang zu einer beruflichen Unterstützung haben. Es braucht bsp. IV Coaches, die sich dem Thema annehmen.

« Wenn du eine Wunderlampe hättest, was würdest du am heutigen System sofort ändern wollen? »

Schwierig zu sagen. Ich finde in der Schweiz haben Krebspatient:innen und ihre Familien schon sehr viel Support und Unterstützung. Ich würde mir wünschen, dass die Unterstützung auch in der Nachsorge weitergeht und Survivors mit ihren Spätfolgen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Aber wenn ich eine Wunderlampe hätte, käme es gar nicht soweit, dass Kinder an solch schweren Krankheiten leiden müssten.

« Was können denn wir Leser:innen tun, um die Zukunftsperspektiven von Survivors zu verbessern? »

Kämpft um Unterstützung, seid aktiv. Akzeptiert, dass Survivors einen Rucksack tragen. Dieser ist mal schwerer, mal leichter, aber er kann getragen werden. Es gibt professionelle Helfer:innen und Fachpersonen, die Unterstützung anbieten können.

« Danke für das inspirierende Interview. Ich werde bestimmt – wie viele andere hier draussen – vorsichtiger reagieren, sobald ich mit Survivors konfrontiert werde.

Von meiner eigenen Trauerarbeit weiss ich, wie es ist, manchmal einen Rucksack zu tragen. Ich persönlich finde es sehr schön, wenn Menschen einem dann einfach zuhören und interessiert Fragen stellen, sich versuchen auf unsere Situation anzupassen, anstatt nach 0815-Standardprozedere zu handeln. »

Welternähungstag

Folgen:
Muriel
Muriel

Mehr von mir: Web | Instagram | Facebook

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Glück & Gelassenheit