Working Mom Manuela Weichelt-Picard im Interview

Manuela Weichelt-Picard

Selbst eine Working Mom interessieren mich immer die Gespräche mit anderen Working Moms. So habe ich mich entschieden einen neuen Schwerpunkt zu führen mit Interviews von verschiedenen Working Moms. Ziel dieser Reihe ist, die Vielfalt der Working Moms darzustellen. Für meine neue Reihe durfte ich als erste meine Bekannte Manuela Weichelt-Picard interviewen. Ich kenne sie schon ein paar Jahre und bewundere immer, wie sie alles unter einen Hut kriegt und dabei immer sehr gelassen, warm und herzlich ist!

Wer ist Manuela Weichelt-Picard

Manuela Weichelt-Picard ist eine bekannte Politikerin. Sie schaffte etwas fast ungewöhnliches: Sie war nämlich 12 Jahre im Zuger Regierungsrat und erst die zweite Frau Landamman und dann noch von einer linken Partei, die im männlich dominierten Rat im Kanton Zug (2017-2018) wirkte. Politisch engagiert sie sich u.a. sehr für eine zeitgenössische Familienpolitik (familienergänzende Betreuung), Chancengleichheit und die Förderung von Gleichstellung. Dies macht sie uns direkt sympathisch. Denn in vielen Dingen sind wir hier in der Schweiz noch lange nicht dort, wo andere Staaten sind.

Privat ist sie glücklich verheiratet und hat zwei Töchter von 16 und 11 Jahren. Sie mag es Zeit mit ihrer Familie in der Natur zu verbringen und Sport zu treiben. Sie ist bemüht, nachhaltig zu leben und Wälder, Tiere und Artenvielfalt zu schützen und bewusst mit natürlichen Ressourcen umzugehen.

Wie war dein Leben vor den Kindern:

Manuela Weichelt-Picard: Erwerbstätigkeit war bei mir schon immer ein wichtiges Thema, auch vor den Kindern. Zusätzlich hatte ich noch Zeit und Energie für Aus- und Weiterbildungen. Meine letzte war die als Master of Public Health. Weiter war ich immer schon aktiv in der Politik. Nebenbei machte ich sehr viel Sport. Besonders angetan hatten es mir OL, Bergläufe und Halbmarathon. Zu guter Letzt pflegte ich aktiv meinen Freundeskreis.

Wie haben dich deine Kinder verändert?

Manuela Weichelt-Picard: Die Kinder waren ein bewusster Entscheid von mir und meinem Mann. Für mich war aber von Anfang an klar, dass er einen grossen Teil der Betreuung übernehmen wird. Unsere Abmachung war, dass er mehr während der jüngeren Kinderjahre zu Hause ist und ich während der Pubertät.

Als dann die erste Tochter auf die Welt gekommen ist, hatte ich die Erwartung an mich 6 Monate zuhause zu bleiben. In diesen 6 Monaten ging es mir nicht gut. Ich hatte das Gefühl mir fiele die Decke auf den Kopf. Es klappte nicht zu duschen, wenn ich wollte, ich konnte nicht mehr eine Zeitung in Ruhe lesen oder jemanden anrufen. In mir kam das Gefühl auf, dass mein Leben alleine durch die Tochter bestimmt war. Und erst mit der beruflichen Wiederaufnahme ist es mir psychisch wieder gut gegangen.

Und auf die Frage: Die Politik ist geblieben, Erwerbstätigkeit auch, und auch Familie. Alles zusammen ging dann nicht mehr: Bei mir war es der Sport, der auf der Strecke blieb. Meinen letzten Halbmarathon machte ich schwanger mit der zweiten Tochter. Und auch auf der Strecke blieb ich selbst.
Und beim zweiten Kind hatte ich mit meinem Mann die Abmachung, dass er ein halbes Jahr zuhause bleibt.

Und wie ging dies? Wie hat er das organisiert / möglich gemacht?

Manuela Weichelt-Picard: Er hat mit dem Arbeitgeber gesprochen und 6 Monate unbezahlten Urlaub genommen. Er hat mir die zweite Tochter auch immer an den Arbeitsplatz zum Stillen gebracht. Egal wo ich war in der Schweiz. Wir waren in einer privilegierten Situation, wir konnten für sechs Monate auf das Einkommen meines Mannes verzichten. Das können längst nicht alle Eltern. Deshalb ist es so wichtig, dass die Elternzeit gesetzlich verankert wird.

Welchen Einfluss haben deine Kinder auf deine Persönlichkeit?

Manuela Weichelt-Picard: Ich sehe 2 Dinge: Ich glaube meine Familie hat mich vor einem Burnout geschützt. Ich bin Perfektionistin, ich wusste aber, ich kann nicht immer arbeiten. So haben mich meine Kinder immer wieder auf den Boden geholt. Wenn ich z.B. abends müde nach Hause gekommen bin, haben mich meine Kinder sofort für sich beansprucht. Ich bin mit ihnen auf den Boden gesessen, habe gespielt, etc. Die Kinder merken sofort, wenn man mit den Gedanken noch bei der Arbeit ist und fordern 100 Prozentiges präsent sein, was auch richtig ist.

Das ist eigentlich das was ich auch oft gefragt werde: wie kann man 2 Verantwortungen tragen?

Manuela Weichelt-Picard: Die Gleichstellung ist in der Schweiz noch gar nicht dort ist wo sie sein sollte: ich arbeitete vor 16 Jahren in Chur, lebte in Zug und musste das Kind mitnehmen in die Kita in Chur als Wochenaufenthalterin. Warum? Weil wir in Zug keinen Krippenplatz bekamen. Dann kam mein Mann Mitte Woche nach Chur und dann waren wir während einem Abend zusammen. Am Donnerstag fuhr er wieder zurück nach Zug mit der Tochter und der abgepumpten Milch. So konnte ich am Donnerstagabend länger arbeiten und fuhr fürs Wochenende wieder zurück nach Zug. Multilokales Wohnen ist gar nicht so selten in der Schweiz.

Ganz schwierig war der Kindergarteneintritt: Vorallem wenn es Briefe gab, wo stand, dass die Eltern um 10 Uhr kommen sollten. Wie sollten dies Eltern schaffen, wenn beide berufstätig sind? Danach hatten wir Schwierigkeiten in der öffentlichen Tagesschule einen Platz zu bekommen. Es ist äusserst schwierig, denn in der Stadt Zug gibt es eine öffentliche Tagesschule, die nur 12 Kinder pro Jahr aufnimmt. Da wir während vier Jahren mangels Platz abgelehnt wurden, schickten wir unsere Grosse erst in die private Montessori-Tagesschule. Ich weiss, wir waren privilegiert und konnten uns das leisten. Meines Erachtens braucht es genügend öffentliche Tagesschulplätze, d.h. sie müssen dem Bedarf entsprechen. Was ich nach wie vor als schwierig empfinde, sind die Ferien. Die Kinderbetreuung ist noch nicht durchgehend organisiert. Auch fehlen nach wie vor bezahlbare Kinderkrippenplätze.

Welche Rolle spielt deine Familie?

Manuela Weichelt-Picard: Wie vorher schon gesagt: Sie ist unter anderem mein Schutz gegen Burnout. Weiter ist die Familie für mich nachhaltig; im Beruf sagt kaum jemand danke – ein Nachfolger kann jeden Aufbau wieder rückgängig machen. Doch die Familie ist nachhaltig und greift als emotionale Stütze. Wichtig dabei ist natürlich ein Geben und Nehmen.

Wie organisiert ihr das Geben und Nehmen in der Familie? Was verstehst du darunter?

Manuela Weichelt-Picard: Nicht nur da zu sein füreinander, wenn es etwas zu feiern gibt, sondern auch da zu sein, wenn etwas nicht gut gelungen ist. Man braucht auch Zeit für Auseinandersetzungen.
Wenn man viel weg ist, braucht es eine gute Absprache. Seine Bedürfnisse klar zu äussern ist und die Gefühle des Anderen zu respektieren ist wichtig. Unter Zeitdruck ist dies nicht immer einfach.

MOMof4: Ich nehme an, es ist alles auf proaktive Kommunikation ausgelegt?

Manuela Weichelt-Picard: Ja, genau.

Wie wirst du der Herausforderung gerecht als Mami und Karriere

Manuela Weichelt-Picard: Vieles ist vergleichbar mit einem Management-Job. Man muss flexibel sein, planen, erreichbar sein. Es hängt und fällt an den Strukturen. Wenn die da sind, dann ist es einfacher.
Wichtig ist, dass die Familie mitmacht. Das Kind hat auch einen Vater und auch er muss bereit sein seinen Teil zu leisten, unabhängig davon ob das Kind geplant war oder die Eltern überrascht hat.

Jetzt wo sie älter sind bin ich in einer Übergangsphase: Ich war vom 2016 – 2018 Frau Landammann in Zug. Es war eine strenge und schöne Zeit. Als meine Kinder mitbekommen haben, dass ich nicht mehr kandidieren möchte, hatten sie Angst vor der unbekannten Veränderung. Die Befürchtung der Grösseren war, dass sie dann dauernd unter Kontrolle steht. Sie sind halt so aufgewachsen: seit Geburt erlebten sie uns immer als erwerbstätige Eltern und sind dadurch sehr selbstständig aufgewachsen. Sie lernten früh Verantwortung übernehmen, etc.

Wie bist du involviert ins Leben der Kinder?

Manuela Weichelt-Picard: Ich habe immer die Geburtstage organisiert, Arztbesuche übernommen, Schulbesuchstage wahrgenommen, war bei Elterngesprächen dabei und habe auch emotional an ihrem Leben teilgenommen, etc. Ich haben mir die letzten Jahre immer 11 Wochen Ferien pro Jahr bürofrei genommen. Wir sind meist weggefahren, wobei das Laptop und das Handy leider immer mitfahren mussten.
Und in der aktuellen Übergangsphase habe ich mir Zeit genommen und bin mit den Töchtern für mehrere Monate ins Ausland:  Es war eine spannende Erfahrung. Man ist nicht in fixen Strukturen, hat Zeit für einander und lernt sich noch einmal ganz anders kennen. Gleichzeitige wünschte sich mein Mann eine familienfreie Zeit. Ich habe es mit meinen Töchtern sehr genossen, es war spannend. Die Familiendynamik war ganz anders.

Was tust du, wenn mal nicht alles so gut läuft?

Manuela Weichelt-Picard: Da ist Flexibilität gefordert. So typisch ist ja wenn die Kinder kleiner sind und krank werden. Was dann? Wir haben bei unserer Krankenversicherung eine Zusatzversicherung abgeschlossen: die bot Kinderbetreuung bei kranken Kindern. Die erste genoss das, aber die zweite nicht. Sie kam lieber mit ins Büro oder ich liess Sitzungen ausfallen, oder mein Mann blieb zuhause. Vom Recht her kann man bis zu 3 Tage zuhause bleiben wegen Pflege eines Angehörigen. Ich finde es wichtig, dass die Männer von ihrem Recht auch Gebrauch machen und dies bei ihren Arbeitgebern einfordern. Vater und Mutter sollten in etwa zu Gleichen Teilen die Pflege ihrer kranken Kinder übernehmen.

Was hast du für Tipps an andere Mamis?

Manuela Weichelt-Picard: Es ist sehr wichtig, dass man auch Paarzeit hat. Meine Mutter z.B. hat sich bereit erklärt für 1x Monat zu hüten übers Wochenende. So konnten mein Mann und ich uns übers Wochenende füreinander Zeit nehmen. Was mir erst jetzt nach dem Austritt aus der Zuger Regierung auffiel ist, dass man die Körperarbeit nicht vernachlässigen darf – sei es Yoga oder Pilates oder sonstwas. Tu dir was Gutes und etwas nur für dich.

Es sind gemeinsame Kinder. Beide tragen Verantwortung

Essentiell ist ebenfalls immer wieder die Absprache mit dem Partner, dem Mann, dem Vater der Kinder: Management ist wichtig. Es sind gemeinsame Kinder. Beide tragen Verantwortung.

Ich bin die Familienorganisation sehr nüchtern angegangen, ich hatte das vor dem Kinderkriegen schon besprochen mit meinem Mann. Wenn Kinder schon da sind, ist es schwieriger und  man muss flexibel bleiben. Und sich immer wieder auf neue Situationen einstellen können Erwartungen können nur bedingt im Voraus geklärt werden. Die Realität holt einem oft ein. Niemand weiss, wie es mit einem tut, wenn die Kinder wirklich da sind. Es kann durchaus sein, dass es dann wieder neue Absprachen braucht.

Auch an sich selbst denken und mit Freundinnen abmachen ist wichtig.

Ich habe mir Kinder in ihrem Leben zu begleiten romantischer vorgestellt

Ich habe mir Kinder in ihrem Leben zu begleiten romantischer vorgestellt.  Eine Beziehung ist harte Arbeit. Es ist nicht ewige rosarote Phase, doch die Glücksmomente, die mir ein Kind schenken kann, sind überwältigend.

Manuela Weichelt-Picard

MOMof4: Ich danke dir Manuela, dass du dich bereit erklärt hast dieses Interview mit mir zu führen. Es war sehr spannend dir zuzuhören. Natürlich wünsche ich dir jetzt viel Erfolg bei den Wahlen in den Nationalrat. Hoffentlich schaffst du auch hier wiederum ein Novum und wirst die erste weibliche Nationalrätin des Kantons Zug! Als Frau, Mutter und Erwerbstätige finde ich es auf jedenfalls sehr schön und wichtig solche Frauen wie dich zu haben in der Gesellschaft, die einstehen für unsere Rechte und für dass sich die Schweiz wandelt.

Viele Mamas haben es schon geschafft und sind nebst der Mutterschaft auch erwerbstätig. Doch damit das mehr Frauen schaffen können, braucht es feste Strukturen, wie du sagst. Und schlussendlich auch ein Umdenken in unser allen Köpfen. Die Kinderbetreuung sollte von Mutter und Vater übernommen werden.

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Muriel
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